Liebesbriefe an die Dunkelheit – Anagnorisis

Das ist der Moment, wieder zu schreiben:

Die in Nacht versunkene Stadt
Liegt zu Deinen Füßen.

Schneeflocken fallen gelegentlich
Durch das Laternenlicht.

Deine Stirn lehnt an dem Fensterglas,
Das nicht kalt ist.

Du blickst durch Dein nacktes
Spiegelbild herab auf die Straßen.

Die Fenster lassen sich nicht öffnen,
Was ein Glück ist.

In dieses Verloren-Sein hineingeboren,
Kannst Du IHR nicht entkommen.

Noch tanzt die Frau barfuß
Im roten Kleid durchs Zimmer,

Doch ihr Gesicht kannst Du
Im nächsten Augenblick
Schon nicht mehr erkennen
Im Auge des Orkans
Sich eintrübender Fragmente:

Vor fahlen Kulisse einer
Zeitenwendetrümmerlandschaft
Beugt das Kind sich
Herunter, spielerisch,
Und betrachtet, mit zieren Händen,
Unter den wachen Augen
Die glühenden Wunder
Seiner kleinen Welt.

Noch wippen seine Locken.
Noch hallt das Lachen.
Noch duftet ein Leben.
Noch durchströmt
Magische Lebendigkeit
Alle Objekte seines Seins.

Ein Gedanke springt,
Wie glimmender Funke,
Hervor aus derm Dunklen:

“Wann ist der graue Tod
In unsre Welt gekrochen?
Wir werden ohne Leben sein
Und können nicht mehr hoffen.”