Gesang der Penelope

Ich wart auf Dich nun Jahr um Jahr
Und werd nicht müd des Wartens.
Die See kennt mich mit Haut und Haar
Und alle meine Klagen.


So lang bist Du jetzt fern von mir,
Dass Schmerz mich stets begleitet,
Und Freier sich wie Geier wild
Um mich als Beute streiten.

Gedient hast du mit Schwert und Schild
Manch König und Tyrannen.
Sie liegen schon in Staub und Sand,
Sind tot und lang vergangen.

Von Dir erzählt noch jedes Kind,
Dein Ruhm wird nie verblassen:
Auf Dauer konnt nicht eine Burg
Odysseus Listen trotzen.

Die Waffen ruhn nun lange schon.
Die Schiffe handeln friedlich.
Doch Du, mein Herr, kamst nicht zurück
Zur heimatlichen Küste.

Doch fühl ich, wie Dein Atem geht,
Dein Herz – stets hör ichs schlagen.
Wie der Tag vom Abend weiß,
So weiß ich um Dein Leben:

Ich seh vor mir bereits Dein Schiff
Wie auf den Wellen schwebend.
Fest steht und trotzt der hohe Mast.
Der Wind füllt alle Segel.

Es jubelt laut das ganze Volk,
Vom Strand bis in die Hallen.
“Der Held, er ist zurückgekehrt,
Kein Schicksal konnt ihn zwingen.”

Ich stehe dann vor unsrer Burg
Und alles ist bereitet:
Die Tische voll, die Fackeln hell
Der Wein glüht in den Kelchen.

Du schreitest dann vom Strand herauf,
Die Rüstung ist ein Strahlen
Im Sonnenlicht. Vom Auge rinnt
Noch jubelnd meine Träne.

Dann stehst Du hoch und kühn vor mir,
Und fällst doch auf die Kniee.
Erst sinkt Dein Helm, dann sprichst Du leis:
“Dir, Fürstin, galt mein Sehnen.”

Bevor Du stolz dem Volk Dich zeigst,
Du Heldfürst unsrer Heimat,
Berühren unsre Lippen sich,
Dass wir uns innig Küssen.

Schon heut ist mir Dein Mund so nah
Wie Wind mir in den Haaren.
So sing ich’s laut hinaus aufs Meer,
Um froh Dich zu erwarten.