Abgrund

Notenspiel und Liederklang
sind aus der Welt gewichen,
Lichterpracht und Farbentanz
zu mehl’gem Staub zerblichen.

Eisern presst der Stille Griff –
lässt jeden Laut gefrieren.
Wort und Ton in Welt und All
auf ewig sich verlieren.

Schiefergrau deckt Innenland
bis zu den Horizonten.
Tintig schiebt sich Wolkenlast
Zu schweren Trübsinnsfronten.

Liebesrot und Hoffnungsglühn
dahinter bleich verwesen,
wie ein geisterhafter Spuk,
der niemals wahr gewesen.

Stunden bleiben chronoton
wie in Morast versunken.
Taglicht gleicht dem fahlen Schein
aus rauchigen Spelunken.

Nach dem Grau droht Eigennacht,
die saugt wie Vakuumleere.
Ihre Schwärze zwingt herab
mit bleigewichtger Schwere.

Dunkelhaft wie Krähenvolk
umkreisen die Gedanken
Trümmerberge, deren Ruß
sich deckt mit Efeuranken.

Denken, Blicken, Schreiten sind
nur noch ein mühsam kriechen.
Leblos bleibt des Falters Flug,
wo gelbe Flügel siechen.

Um mich ist die Außenwelt
gesprengt zum Meer aus Scherben.
Splitterkannten tiefer Schnitt
mir Hand und Knie zerkerben.

So kein Weg zum Ziele führt.
Kein Pfad lohnt sich zu gehen.
Alle Straßen lassen mich
alsbald am Abgrund stehen.

Sehnsucht mich zur Tiefe zieht,
sein Anblick süß verlockend.
lässt den Herzschlag rasend flieh’n.
Der Atem geht nun stockend.

Ozean aus schwarzer Gischt,
bereit, mich zu verschlingen,
leckt den steilen Felsenrand,
wo feine Stimmen singen:

„Nur ein Schritt, der dich noch trennt
vom ew’gen Glück der Leere,
hinter dir bleibt alles Sein,
des Schicksals grause Schwere.

Mahnmal der Erbärmlichkeit –
was mehr war dein Leben?
Zu verlöschen sei bereit
erfüll‘ dein sücht’ges Streben.

Habe keine Angst vorm Nichts,
lass kühl dein Licht vergehen.
Letzte Säule feinen Rauchs
wird Hauch von Wind verwehen.
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Moleküle stoben auf
in sanften Sternenwinden,
worin deine Spuren mild
verlöschen und verschwinden.

Staubdurchwehte Raumzeit fließt
zum Jenseits aller Sonnen,
ebnet brav den Weg dorthin,
wo alles hat begonnen,

abseits rohen Farbenspiels
aufflammender Giganten,
fern der trügerischen Pracht
der Samtbettdiamanten,

dort zerschellt des Lebens Hatz
an Elfenbeinpylonen,
wo das Sein zur Ruhe kommt
am Grabe der Photonen.“

Mattigkeit die Muskeln lähmt.
Die Knochen – wie zerschlagen –
können längst die Last nicht mehr
aus diesem Albtraum tragen.

Himmelauf hebt sich kein Blick,
kein Fuß quält sich zum Schritte.
Wo einst schlug mein Seelenherz
klafft blutend leere Mitte,

die sich nun im lachen Teer
des Abgrundmeeres spiegelt.
Keine Hoffnung mehr den Brand
der Wunde heilend siegelt.

‚Ende‘ schreit es laut in mir.
Ich will und kann nicht weiter.
Letzte Sprosse gibt nicht Halt
auf dieser Abwärtsleiter.

Wie mich Sog zum Abgrund zieht
scheint mir die Welt verloren.
Mehr als meinen Tod wünsch‘ ich,
Ich wäre nie geboren!