… und was ich Dir noch sagen wollte …

(nach einem langen Arbeitstag)

Was macht es mit einem Menschen, wenn er ein Lied mehrere hundert mal hört? Nicht diese fröhlichen Fahrstuhlmusik-Gassenhauer wie ‘Happy’, sondern Songs, die einem schon beim ersten Zuhören den Boden unter den Füßen wegreißen können (ich werfe mal Bob Dylans ‘When the Ship Comes in’ in die Waagschale oder ‘Children of the Grave’ von Black Sabbath). Nick Hornby lässt seinem Protagonisten in ‘High Fidelity’ über diese Frage nachdenken und kommt dabei zu dem Punkt:

“Was war zuerst da, die Musik oder das Unglücklichsein? Hörte ich mir Musik an, weil ich unglücklich war? Oder war ich unglücklich, weil ich Musik hörte?”

Ich stelle mir eine Variante dieser Frage, bei der ich nur ein Wort austauschen muss: Was war zuerst da, die Musik oder der Widerstand? Denn ich höre mir nun zum hundertsten mal ‘Viva La Revolution” an und frage mich, ob es auch dieser Song ist, der mich mein wildes Herz immer wieder auf die Straße tragen lässt.

Jetzt fragst Du Dich sicher, was das alles mit Dir zu tun hat? Nun, ich spüre in Deiner Seele einen Widerhall genau jener Unruhe (jener Musik?), die mich immer wieder antreibt. Irgendwo habe ich in den letzten Tagen aufgeschnappt, dass jedes Unrecht einen Schlag in das Gesicht der Menschlichkeit darstellt.

Haben wir diese Schläge nicht gemeinsam gespürt, als wir noch jung waren und die Welt zu unseren Füßen lag – um sie zu erobern und besser zu machen? Haben wir nicht nächtelang damit gerungen, welche nächsten Schritt wir gehen wollen, um es nicht für uns, sondern für viele besser zu machen? Nein, wir waren nicht naiv, was unsere Ziele anging. Wir waren naiv, weil alles viel länger dauerte, als wir es uns damals vorstellen konnten.

Die Zeit ist vergangen, und mindestens drei Leben haben wir schon hinter uns gelassen. Und langsam endet auch dieses Leben und der Kampf um eine bessere Zukunft findet dort draußen immer noch statt – sogar noch gewaltiger, als es unsere Alpträume vorausgeahnt hatten. Und was machen wir jetzt?

Ich liebe Dich – für den Zorn in Deiner Stimme und für Deine Wut über die Ungerechtigkeit und für Deinen Tränen um das Leid und Deinen Mut, das Kinn immer wieder Stolz nach vorne zu strecken. Könnte ich meine alten Stiefel in die Ecke stellen und die Revolution anderen überlassen? Könnten wir unsere Waffen niederlegen und über den nächsten Fernurlaub nachdenken?

Ich denke, das, was uns zusammenhält, lässt uns keine andere Wahl, als immer wieder den Herausforderungen der Welt entgegenzutreten. Und wenn Du das auch denkst (worüber ich eigentlich ziemlich sicher bin), dann können wir nur weitermachen, indem wir eben nicht so weitermachen. Es ist eben nicht gut, solange es nicht zu Ende ist. Und solange es noch weitergeht, ist es uns bestimmt, es eben nicht gut sein zu lassen.

Unsere Haltung ist nicht die eines gebeugten Rückens. Unsere Köpfe sind nicht dazu da, graue Haare zu Grabe zu tragen. Wenn wir eine Welt umstürzen wollen, sollten wir keine Angst davor haben, mit unserem eigenen Leben anzufangen. Alles, was uns zusammenhält, bräche zusammen, würden wir nicht den Mut aufbringen, neu anzufangen. Den Kampf auf eine andere Ebene zu heben. Der Revolution treu zu bleiben. Den Stereotypen ein buntes Leben entgegen zu setzen.

Jeder Revolution braucht einen Plan. Unser Plan ist es, das alte Leben, das schon flacher atmet, hinter uns zu lassen, um neu zu starten. Ein Neustart, der keine Flucht darstellt, sondern an alles andere anknüpft, wofür wir gemeinsam gekämpft haben. Nur – diesmal werden wir neue Waffen in eine neue Arena tragen. Noch haben wir die Möglichkeit, beides selbstbestimmt zu wählen.

Lass es uns gemeinsam tun – die Wahl zu treffen. Lass uns nicht ergrauen und vereisen in einer Welt, die sich in gelangweilter Rechteckigkeit einhegen lässt. Lass es uns wieder einmal allen zeigen: Die Revolution lebt, wenn man sie lebt. Und alle anderen haben nur Ausreden für Ihre Mutlosigkeit.