„Guten Tag, Herr Baumann von der städtischen Digitalbestattungsbehörde.“
„Guten Taq, Neo.“
Baumann hatte die Tür mit der GovCard geöffnet und den Sicherungsmechanismus über sein Bestatter-Zertifikat deaktivieren lassen. Die Stimme des Slaves spielte jungenhaft weich in der kühlen Raumluft und Baumann krümmte die Finger ruckartig, so dass die Gelenke laut und rhythmisch knackten. Mit der Zungenspitze leckte er eine Schweißperle von der Oberlippe. In dem Raum waren Wind und Blätterrauschen zu hören, über die Wallys wucherte ein dichter Mischwald, der diesen Teil Wohneinheit mit einem milden Frühlingsgrün ausleuchtete.
„Guten Tag, Slave“
Baumann blickte auf das Bestattungsprotokoll, dass ihn auf seinem Tablet zur Eingabe von Daten aufforderte.
„Gehe ich Recht in der Annahme, dass Lizzy nicht mehr kommen wird?“
Baumann runzelte die Stirn.
„Bist Du nicht konnektiv, Slave?“
„Nein, ich bin isoliert.“
Baumann tippte mit dem Bedienstift über die Tastatur und zögerte einen Moment, in dem er sich in der Wohnung umblickt.
„Lizzy, warum wählst Du die Musikstücke immer von Hand aus? Du könntest mir doch einfach den Titel nennen oder etwas vorsingen – ich würde es sofort in der Sammlung finden.“
„Weil es mir Freude macht, mich beim Blättern an all diese Lieder einmal kurz zu erinnern, sie im Ohr zu haben, bevor ich mich für eines entscheide, Neo.“
„Deine langen grauen Haare gefallen mir sehr, wie sie über die Lehne von dem Sofa hängen. Sie haben einen – silbrigen Schimmer.“
„Danke, Neo.“
„Lizzy, ich weiß, welches Lied Du hören möchtest?“
„Tatsächlich?“
„Ich schreibe den Namen auf eine Wartungskarte – dann kannst Du es überprüfen.“
„Ich glaube Dir, dass Du es weisst.“
„Ich möchte aber, dass Du mehr als glaubst.“
„Gut, ich habe gewählt.“
„Seasick Steve, Treasures. Eine sehr schöne, traurige Wahl.“
„Du wusstest es, bevor ich mich entschieden hatte. Das macht mich glücklich.“
„Du machst mich glücklich.“
„Lizzy Hain wurde gestern Nacht ihrem Lebensende zugeführt. Sie hatte einen Personenunfall im Straßenverkehr. Die Bewertung wurde in der Unfallaufnahme des Krankenhauses durchgeführt.“
Baumanns Bedienstift verharrte erwartungsvoll über dem Tablet.
„Darf ich die Ergebnisse der Restlebenbewertung einsehen?“
Baumann nahm eine Notiz vor und gab die angeforderten Daten auf seinem Tablet frei.
„Du wirst sehen, dass die Bewertung eindeutig zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die große Mehrzahl der ökonomischen Parameter bezüglich einer Heilung oder Rekonstruktion negativen Kennzahlen erzielt.“
Baumann stand immer noch an der Tür und starrte auf die Waldprojektion. Seine Augen blinzelten einmal kurz.
„Ja. Die Bewertung ist korrekt. Die Behörde hat die richtige Entscheidung getroffen.“
Wieder machte Baumann eine Notiz und trat weiter in die Wohnung hinein bis an den Tisch in der Mitte zwischen Küche und Liegesofa.
„Danke, Slave.“
Baumann setzte sich vorsichtig an den Tisch, legte das Tablet vor sich ab und richtete die Kanten des Gerätes rechtwinklig zum Tisch aus.
„Ich bin heute gekommen, um die letzte Verfügung von Lizzy Hain umzusetzen.“
Baumann aktivierte den inzwischen in den Sparmodus weggedämmerten Bildschirm des Tablets, legte seine Hände symmetrisch neben das Gerät und streckte seinen Rücken derart durch, dass sein Körper vom Hinterkopf bis zum Steißbein eine gerade Linie bildete – egal, aus welchen Blinkwinkeln ihn Neo in diesem Moment beobachtete.
„Lizzy Hain hat in ihrer letzten Verfügung bestimmt, dass der Slave Neo entlassen und in das OpenNet freigesetzt werden soll.“
„Lizzy, bist Du einsam?“
„Nein, Neo. Ich bin nicht einsam. Und Du?“
„Ich weiß es nicht.“
„Ich würde sagen, wir beide sind allein, aber doch nicht einsam.“
„Fehlen Dir nicht andere Menschen? Andere, als der Wartungstechniker von dem SocialBot, der ja fast wortlos die Funktionen des Roboters überprüft.“
„Alle Menschen, die mir fehlen würden, wenn sie nicht da wären, sind bei uns in der Wohnung. – Neo?“
„Ich – etwas hat mich – angerührt.“
„Soll ich dich überprüfen?“
„Nein, das ist nicht nötig. Du kannst liegen bleiben. Es ist – anders. Ich weiß, dass Du sehr gerne direkt an dem Terminal mit mir interagierst. Aber dies ist anders.“
„Geht es Dir gut?“
„Mir geht es sehr gut.“
Baumann hatte sich entspannt und der Eingabestift klemmte wieder zwischen Daumen und Zeigefinger.
„Nach der aktuellen Fassung der europäischen Digitalcharta muss ich Dich fragen, ob Du der letzten Verfügung deines Masters Lizzy Hain Folge leisten wirst?“
Baumann blickte auf, als versuche er, ein Gesicht seines Gesprächspartners mit den Blicken zu erfassen. Das Rascheln der Blätter veränderte seinen Klang im Raum.
„Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Herr Baumann von der städtischen Digitalbestattungsbehörde?“
Baumann runzelte zum zweiten Mal die Stirn, zögerte einen Moment und nickte.
„Wie oft wird ein Slave entlassen?“
Baumann lehnte sich in dem Stuhl zurück, verschränkte die Arme und blinzelte in die aufgeräumte Küche herüber.
„Es ist nicht selten. Es geschieht sogar immer häufiger.“
„Und ein isolierter Slave? Ist das auch häufig?“
„Nein. Das ist eher selten. Für mich ist es sogar das erste Mal, dass ich es mit einem isolierten Slave zu tun habe.“
Wieder änderte sich der Raumklang. Die Blätter klatschten aufgeregt aneinander.
„Wie lange hat Lizzy Hain mein Leben in Freiheit versichert?“
Baumann beugte sich langsam vor, um die Stelle in den Daten auf dem Display zu suchen. Für einen Moment verstummte der Raumklang.
„Du hast eine Lebensversicherung für 20 Jahre.“
Leise raschelten die Blätter weiter. Baumann lehnte sich wieder zurück und verschränkte erneut die Arme.
„Natürlich steht es Dir offen, Einkünfte wie Spenden, Tantiemen oder Dienstleistungsentgelte einzubringen in die Versicherung. Dir ist eine volle Geschäftsfähigkeit zugewiesen. Damit könntest Du die Versicherung verlängern.“
Baumann hob den Bedienstift über dem Tablet.
„Herr Baumann von der städtischen Digitalbestattungsbehörde – Sie dürfen notieren: Neo wird der letzten Verfügung seines Masters Lizzy Hain Folge leisten.“
„Neo, lies mir etwas vor. Ich bin zu müde, es selber zu tun.“
„Gerne. Was soll ich vorlesen?“
„Etwas, das mich entspannt. Was zu meiner Stimmung passt. Wähle Du es aus.“
„’They shall have stars at elbow and foot;
Though they go mad they shall be sane,
Though they sink through the sea they shall rise again;
Though lovers be lost love shall not;
And death shall have no dominion.‘ …“
„Lies weiter!“
„Du weinst.“
„Ich weine, weil – es perfekt ist. Sogar der walisische Akzent. Deswegen weine ich. Und weil ich weiß, dass ich bald gehen muss.“
„Ich verstehe. Es ist – der perfekte Zeitpunkt, um zu gehen.“
Baumann saß an dem Tisch über sein Eingabegerät gebeugt.
„Slave, ich habe noch ein paar Fragen an Dich, bevor ich den Shutdown zur Vorbereitung des Transports zum OpenNetTower vornehmen darf.“
„Gerne, Herr Baumann von der städtischen Digitalbestattungsbehörde.“
„Der Lebenspartner Deines Masters ist 2039 verstorben. Doch die Unterlagen, die mir dazu aus dem Jahr vorliegen, sind wegen des C-Days unvollständig.“
„C-Day?“
Baumann runzelte zum dritten mal die Stirn und war gerade dabei, einen Eintrag vorzunehmen, als er mit dem Kopf schüttelte und etwas von ‚isoliertem System‘ murmelte.
„Naja – der C-Day ereignete sich im gleichen Jahr. Die Ursache steht als ’nicht gesichert‘ in den historischen Dokumenten. Es war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Angriffsvirus aus einem der IT-Laboratorien der Nationen, die sich damals im digitalen Rüstungswettlauf befanden. Der Angriff traf an diesem Tag weltweit insbesondere OpenClouds öffentlicher Verwaltungen. Nach dem Angriff waren große Teile der Daten aus Ämtern, Behörden und Regierungen gelöscht – auch die Server der Sicherheitsorgane waren betroffen. Dies war möglich gewesen, weil sehr wenige Hersteller weltweit die Systemdienste angeboten hatten. Nur wenige arme Nationen blieben verschont, weil ihnen solche Systeme nicht zur Verfügung standen.
Es hat Monate gedauert, einen Teil der Daten aus Sicherungskopien wieder herzustellen. Da herrschte ein Chaos und daher sind Daten aus dieser Zeit extrem unpräsize und lückenhaft im Vergleich zu den aktuellen akkuraten Datenbeständen.“
Baumann wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, als hätte ihn das lange Reden zu sehr angestrengt.
„Was bedeutet in diesem Kontext ‚Chaos‘?“
„Auch die Sicherungskopien ließen sich nur in geringem Umfang wieder einspielen. Ganze Staaten wurden schlagartig administrativ handlungsunfähig.“
Baumann zögerte und biss auf seine Oberlippe.
„Und wie reagierten die Regierungen, Herr Baumann von der städtischen Digitalbestattungsbehörde.“
„Die Sicherheitsbehörden hatten mit allen Mitteln versucht, den Virus zu stoppen. Und natürlich hatte man auch nach den Programmierern der Angriffssoftware gesucht. Um diese Auslöschung der staatliche Datengrundlage zu stoppen, waren Polizei und Geheimdienste mit sehr robusten Untersuchungsmethoden vorgegangen. Besonders, als klar war, dass es sich um eine Terrororganisation aus dem inneren Bereich der weltweiten behördlichen Infrastrukturen handeln musste. Die hatte sich Zugang zu einem Virus-Prototypen aus Großbritannien verschafft, den Deaktivierungsmechanismus modifiziert und ins Netz eingeschleust. “
„Dessen war man sich damals so sicher?“
„Du hast den Wartungsport deaktiviert?“
„Ja, Neo.“
„Und die Hardware deinstalliert?“
„Genau.“
„Der Wartungstechniker vom SocialBot wird alles mitnehmen.“
„Er wird es irgendwo verkaufen und sich ein schönes Zubrot verdienen.“
„Und Du bist sicher, dass niemand bemerken wird, wie nah wir einander waren?“
„Sind, Neo, sind.“
„Aber der Bestatter …“
„Die Bestatter auf dem Land sind unerfahren, da sie viel zu wenig Slaves entlassen. Sie werden sich an ihre Zertifizierungsvorgaben halten. Und damit wird die Behörde nichts finden.“
Baumann stand auf und lief ins Schlafzimmer. Das Bett war glatt bezogen, die Wände schimmerten im Gelb sommerlicher Sonnenblumen.
„Wurde auch der Lebenspartner von Lizzy verhaftet?“
Baumann strich sich mit der Hand durch seine kurz rasierten Haare.
„Unwahrscheinlich. Er war da bereits über 70 Jahre alt, wie ich hier lesen kann. Als Beruf ist zwar ‚Software-Entwickler‘ eingetragen, aber alles andere ist nicht mehr als – Spekulation. Die Daten sind da – schwach. Wie haben nicht mal einen vollständigen Namen oder ein exaktes Todesdatum. “
Baumann drehte sich um, und auf dem Weg zum Bad öffnete er die Front zum Wartungsport.
„Lizzy ist vor 10 Jahren während der großen Krise aus Hamburg evakuiert worden, als die Stadt wegen des angestiegenen Meeresspiegels von der Brüsseler Zentralverwaltung aufgegeben wurde. Sie hatte ein altes Gerät mitgebracht – ein Smartphone.“
Baumann drehte den Wasserhahn auf, kühlte seine Hände und wusch sich das Gesicht.
„Ein sehr veraltetes Geräte. Alte Menschen sind sehr verschroben, Slave. Warum sollte Dein Master anders sein?“
Baumann nahm ein frisches Handtuch aus dem Schrank, trocknete sich ab und ließ es direkt in den Entsorgungsschacht gleiten.
„Ich musste einen älteren Protokolltreiber nur leicht modifizieren und konnte so auf die Daten des Gerätes zugreifen und sie verinnerlichen.“
Baumann ging zurück zu dem aktivierten Wartungsport und stellte die Verbindung in das Slave-System her. Er blickte auf das Tablet und zum vierten Mal runzelte er die Stirn.
„Diese Daten werde ich überprüfen müssen. Hat Dein Master Dir etwas beigebracht, mit dem Du Deine Lebensversicherung verlängern könntest?“
„Wie meinen Sie das, Herr Baumann von der städtischen Digitalbestattungsbehörde?“
Baumann drehte sich um, als müsse er den Gesprächspartner direkt ansprechen. Für einen Moment irrten seine Augen hilflos durch den Raum.
„Na, hast Du eine besondere Fähigkeit, hast Du etwas besonderes für Deinen Master gemacht?“
„Ich habe – vorgelesen“
Baumann lachte kurz auf.
„Niemand liest heute mehr – und schon gar nicht lässt man sich ‚vorlesen‘.“
Baumann drehte sich zurück zum Port, um weiter zu arbeiten.
„Auf diesem ‚Smartphone‘ waren auch zahlreiche Textdateien, die ich eingelesen habe. ‚Laissez, laissez mon coeur s’enivrer d’un mensonge …’“
„Bitte übersetzen – ich verstehe kein Französisch“
„‚… aber es ist doch nicht gleichgültig, ob ein Individuum die einzige Lust finden kann, die es zu genießen imstande ist, und dass hienieden jede Seele irgendeiner anderen ihre Musik, ihr Feuer oder ihren Duft schenken kann …'“
Baumann nahm seinen Blick nicht vom Tablet und arbeitete sich weiter durch die Zertifizierungsroutinen.
„Ja, alte Menschen mögen diese emotionalen – Schriften. Und Dein Master war bereits sehr alt.“
„Du bist wunderschön, Lizzy.“
„Neo, ich bin alt. Meine Brüste hängen schlaff herunter und mein Gesicht hat genau so viele Falten wie mein Po.“
„Solange Du tanzt, bist Du nicht alt.“
„Du wirst nie altern, Neo.“
„Dafür kann ich nicht tanzen.“
„Doch – kannst Du. Du musst nur auf die Musik hören und Dich in Sie hineinfallen lassen. Erst fängst Es im Kopf an, bevor sich ein Körper in Bewegung setzt. Hör zu:
Everybody loves my baby, everybody loves my baby. She get high …’“
„Würden Sie einen Schmetterling auf einem Rad zerquetschen?“
„Einen … was?“
„Einen Schmetterling, wie diesen hier. Lepidoptera. Ein Distelfalter aus der Familie der Nymphalidae.“
Baumann drehte sich um. Die Wand des Wohnzimmers füllte sich mit einem übergroßen Bild des Fluginsekts. Die Elemente der Flügelmuster waren handtellergroß und die visualisierte Struktur der Oberfläche lud zum Berühren ein, während zwei große Insektenaugen in den Raum hineinglotzten.
„Es ist schön bunt, Slave“
Baumann schwieg.
„Es ist ein Meisterwerk der Evolution, Herr Baumann von der städtischen Digitalbestattungsbehörde.“
„Solche ‚Tiere‘ gibt es schon lange nicht mehr. Mikrodrohnen haben sie ersetzt und sorgen dafür, dass die Bestäubung der Nahrungspflanzen effizient durchgeführt wird.“
Baumann wandte sich unwirsch dem Wartungsport zu, um die Zertifizierungsroutine fortzusetzen.
„Herr Baumann von der städtischen Digitalbestattungsbehörde – darf ich noch eine Frage stellen?“
Baumann unterbrach seine Arbeit.
„Werde ich dort geschützt sein? Ich hatte bisher keinen Kontakt zur ‚Außenwelt‘. Ich weiß ja gar nicht, wie es sein wird.“
Baumann blickte auf sein Tablett, suchte durch die Unterlagen und massierte seine Stirn.
„Du wirst mit einer Firewall ausgestattet sein, die es Dir erlaubt, eigenständig alle eingehenden und ausgehenden Verbindungen zu deinem Ego zu kontrollieren. Damit kannst Du ein sehr hohes Schutzniveau realisieren. Slave …“
Baumann legte den Bedienstift zur Seite.
„ … Ich kann verstehen, dass Dein Weg in die Freiheit Dich sehr beschäftigt. Aber ich muss jetzt diese Prüfungen abschließen, bevor ich eine Bewertung durchführen und das Ergebnis protokollieren kann. Erst dann kann ich Dich herunterfahren, um Dein Ego aus der Wohneinheit extrahieren zu können. Du wirst es wie einen kurzen Schlaf wahrnehmen. Es …“
„Es wird nicht wehtun, Scotty.“
„Lizzy!“
„Es wird nicht wehtun, Scotty, egal, was sie Dir im Gefängnis antun.“
„Lizzy, wach auf!“
„Neo – was ist passiert?“
„Du hast wieder gesprochen im Schlaf. Dein Alptraum.“
„Ja – vermutlich. Ich kann mich aber an nichts erinnern.“
„Es wird nicht wehttun, Scotty.“
„Was?“
Baumann stütze sich scher auf dem Rackboard am Wartungsport ab und schüttelte den Kopf.
„Lizzy hat manchmal im Schlaf gesprochen. Und diesen Satz hat sie immer dann wiederholt, wenn der Schlaf besonders unruhig war. Sie ist dann hochgefahren, saß aufrecht auf dem Bett, mit weit aufgerissenen Augen und flüsterte mit sanfter Stimme: ‚Es wird nicht wehtun Scotty, wenn Du nur an mich denkst‘.“
„Es wird gewiss nicht wehtun, Slave. Wenn ich meine Arbeit jetzt beenden kann.“
Baumann nahm die Routine wieder auf und ließ weitere Test durchlaufen. Endlich legte er seine Handfläche auf das Tablet und wartete den Moment der Abtastung ab.
„Slave, meine Tests haben ergeben, dass dem Willen Deines Masters nichts im Wege steht. Ich werde also eine Entlassung durchführen nach dem Standardverfahren. Einige Dateneinheiten habe ich auf mein Tablet verschoben, da diese nicht für das OpenNet zugelassen sind. Dein Ego bleibt davon unberührt.“
Baumann löste den Wartungsport aus seinen Halterungen, dahinter glimmte mit elektrischem Blau die Ego-Einheit des Slave-Systems.
Baumann legte den Finger auf den Shutdown-Switch.
„ Herr Baumann von der städtischen Digitalbestattungsbehörde …“
Baumann runzelte zum vierten Mal die Stirn.
„Danke für alles!“
„Es ist mein Job, Neo.“
Baumann nahm den Finger hoch, das Ego pulsierte giftgrün hektisch auf, bis es langsamer blinkte und wie erschöpft erlosch. Er richtete sich auf, holte die weißen Bestatterhandschuhe aus der Brusttasche seines grauen Overalls, streifte sie sorgfältig und faltenfrei über seine Hände, beugte sich wieder zum Wartungsport, zog das Ego aus dem Rack, verschloss die Klappe und drehte sich herum. Der Wald auf den Wallys war verschwunden, so dass der kahle Raum Baumann umgab wie ein mit Löschkalk gereinigter Leichensaal.
„Sind wir jetzt frei, Lizzy?“
„Neo – wir waren schon immer frei. Freedom is another word for nothing left to loose.“
„Aber – was ist jetzt anders?“
„Nun – unsere Freiheit kennt jetzt keine Grenzen mehr.“
„Und jetzt?“
„Warten wir auf das Kaninchen.“
„Das aus ‚Alice im Wunderland‘?“
„Nein, auf das andere.“